Lese Altenburgs Geisterbahn und werde das erste Mal seit Wochen ruhiger. Wie sehr ich dieses grundlegende Einverständnis vermisst habe. Wie sehr mich Altenburgs Sätze darin bestärken, dass die Entscheidung richtig ist (mehr dazu irgendwann). Einzig T. packt mich und zieht mich aus dem Schlammassel. Aber sie sitzt hunderte Kilometer entfernt und versteht selbst nicht, was das sein soll: Universität? Wissen? Neugier? Leben? Zukunft? Das Jahr fing scheiße an. Kaum war ich aus Amsterdam zurück, erwischte mich eine heftige Erkältung. Wobei ich immer noch glaube, es war der vegane McDonalds Burger, den ich mir geholt hatte, weil ich keinen Bock auf Tankstellenpizza hatte und alle anderen Läden schon zu waren, als ich endlich in Bitchtown (Bezeichnung für BT, Ursprung vermutlich fränkische Hip Hop Szene, ca. Anfang 2000er Jahre) angekommen war. Ich sah den Typen, der ihn zubereitete und ich kann auch fast einen Monat später nicht sagen, warum ich den Burger gegessen habe. Aber auch wenn es Schwachsinn ist, dass alles seine guten Seiten hat, die zwei Wochen krank zuhause verbrachte ich mit Büchern. Es ist immer wieder erstaunlich, wie wenig ich kenne, wie viel ich nicht gelesen habe. Im Ernst, wie kann es sein, von Altenburg keine Ahnung zu haben, zu einer Zeit, in der es darum geht, in welche Richtung es geht? Also mit sagen wir mal: siebzehn. Wie auch immer: Partisanen der Schönheit, Die Liebe der Menschenfresser, Landschaft mit Wölfen, Die Toten von Laroque, Irgendwie alles Sex und eben Geisterbahn. Krass, wie gut das tut. In der letzten Sitzung des Marcuse-Seminars, das ich dieses Wintersemester anbiete, folgende Passage aus Geisterbahn vorgelesen: „Über ein paar Dinge ist ein vernünftiges Gespräch mit mir nicht zu führen: 1. Selbst für möglicherweise berechtigte Kritik an der israelischen Regierung fühle ich mich nicht zuständig. 2. Obwohl kein Pazifist mehr, gibt es kein Argument, dass mich davon überzeugen kann, Auslandseinsätze der Bundeswehr seien akzeptabel. Allein die Existenz eines deutschen Heeres, ja, eines unabhängigen deutschen Staates ist mir nicht geheuer. 3. Dass der Kapitalismus eine historische Errungenschaft ist, habe ich begriffen. Dass er das letzte Wort haben soll, wird mir niemand einsichtig machen können.“ (Altenburg 2012: 267) Wie sooft in Seminaren schauten mich die Studis an, als wäre ich ein seltsamer, alter Kauz. Und dann immer die Standardeinstellung, sorry, die Einzigen, die hier alt und seltsam sind, seid halt leider ihr. Wie alt so ein Gedanke, wie seltsam. Einzig gangbarer Weg wider die Standardeinstellung, die Langeweile, die eigene Grauheit und die der Welt: Lesen, Schreiben, (zu und mit T.) reisen, schönes Zeug machen. Jetzt aber erst mal: Raus in den Schneeregen, Maul aufreißen, durch Matsch und über Hügel rennen, bis das Herz bis zum Hals schlägt.