15. Feb. 20

Überraschend viele, angenehm dreinschauende Menschen in Kulmbach. Schön auch, als das Rahmenprogramm beginnt, dreht sich über die Hälfte von der Bühne weg und geht über den Platz in Richtung der Halle, in der Höcke sprechen wird. Die Redefetzen, die der Wind herüberweht, sagen wieso: Da ist von „allen Demokraten“ zu hören, von der „Zivilgesellschaft“ und „unserer Gesellschaft“ und so weiter. Es sagt halt nur keiner, was das heißen soll. Später bildet sich eine Menschenkette, die den gesamten Platz umschließt und die Kirchenglocken läuten von 19.33 bis 19.45 Uhr. Ein Mann steht hinter dem Mikrofon, er zählt: Neunzehnhundertdreiunddreißig. Neunzehnhundert…Aber eben auch überall Menschen, die aussehen, als hätte es so etwas wie Gewerkschaften, Katholische Arbeitervereine und Fränkische Anarchisten wirklich mal gegeben. Und das Schönste: Viele lachen. Das vermisse ich ja eigentlich immer auf Demos. Diese Mischung aus Freude darüber, unbekannte Gesichter zu sehen, die einen solidarisch und schelmisch anlächeln (bei denen man sich vorstellen kann, wie sie später am Tresen sitzen, eine Halbe vor sich, mit schiefem Blick übers Glas gucken und sagen „solidarisch und schelmisch, soso, so geht des fei ned“ und dann nicht mehr aufhören zu lachen und zu waafen) und der Ahnung, wenn es hier ein bisschen ungemütlich wird, bleiben die alle seelenruhig. Ich bin dagegen immer etwas zu aufgekratzt und zu abgeklärt bei solchen Veranstaltungen. Ich denke gerne, es ist die angemessene (körperliche) Reaktion auf dieses routinierte, erstarrte Protestgebaren, dass in seiner Freudlosigkeit und Konsequenzlosigkeit so hart deutsch ist, aber das ist mit einer hohen Wahrscheinlichkeit nur ein Teil der Wahrheit. Als wir den Abend schon fast abgehakt hatten, standen C. und ich in einer dunklen, gepflasterten Gasse und sahen den Höcke-Konvoi auf uns zu rasen. Ich machte einen Schritt auf die Fahrbahn, war aber zu feige, mich einfach in den Weg zu stellen. (Die hätten mich ja nicht über den Haufen fahren können. Höcke ist ja kein Staatsgast, die Personenschützer des LKA kein Secret Service, oder?) Der erste Wagen blendete auf, fuhr ziemlich knapp an mir vorbei. Ein SUV oder Range Rover oder Urban Jeep, wie auch immer diese durchgeschossenen Panzer heißen, machte einen größeren Bogen. C. fragte später, ob ich die Typen in den Autos gesehen hätte? Hatte ich nicht. Es ging alles zu schnell. Es war eine lächerliche Szene, aber sie lässt mich auch am Morgen danach nicht los. Als ich den Windzug der Wagen spüre, macht das Kopfkino klick: Staatsapparate, Legalität, Lager. Als wäre das alles ein fucking Film.

Abgelegt unter: — 15.02.2020