04. Mrz. 20

Wieso sagt man, wenn man mit sich selbst spricht, manchmal unverbrauchte Sätze und wenn man dann vor einem Gegenüber steht, sind die Sätze fast ausschließlich hohl und vorhersehbar? Oder sind auch die Sätze im eigenen Kopf hohl und vorhersehbar, aber da sie nicht wirklich ausgesprochen sind, können sie ihre Hohlheit und Vorhersehbarkeit verbergen? Wie macht man das eigentlich, klug und wach sein, mit Freude mit anderen reden, Freude empfinden über das, was die anderen sagen. Sich nicht in die Abwärtsspirale des Gesprächs begeben, sondern zusammen nach oben, dorthin, wo ein gemeinsam erarbeiteter Gedanke seine Sprache findet und dieses gleichmäßige Grau zerreißt, dass seit Monaten den Kopf schwer macht.

Gestern erinnerte ich mich an eine Diskussionsrunde an der Universität BT, die 2019 stattgefunden hatte. Geladen waren Politiker und Politikerinnen der Parteien, die eine realistische Chance hatten, in das Europaparlament einzuziehen. Da saß also auch so ein AfD-Trottel und führte, vom Moderationsduo völlig ungestört, die landesübliche Show auf. Das war alles sehr langweilig und erwartbar. Ich hatte aber live bisher noch nicht miterlebt, wie sehr die Parteien des sogenannten demokratischen Spektrums, das Moderationsduo und nicht zuletzt das Publikum von der Anwesenheit eines AfD-Trottels profitieren. Monika Hohlmeier etwa sagte völlig rausgeschossene Sätze, ohne dass jemand widersprach. Die Moderation bewies Haltung im formelhaften Beschwören der parlamentarischen Demokratie. Die Studentinnen und Studenten klatschten an den Stellen, an denen die Zukunft Deutschlands halt so klatscht. Nahezu alle Hirne und Herzen waren an der Garderobe abgegeben worden.

Schnitt ins Jetzt: An der türkisch-griechischen Grenze wird geschossen, Schlauchbote werden von mit EU-Mitteln aufgerüsteten Polizeibooten abgedrängt, Menschen, die vor Angst und Verzweiflung schreien, werden mit Metallstangen geschlagen.

Es heißt, eine Situation wie 2015 dürfe sich nicht wiederholen. Die das sagen, tragen ihre Worte auf dem Boden des Rechts stehend vor. Im Vergleich zu Höcke, Kalbitz, Tillschneider, Weidel (…) werden Lindner oder Seehofer als hart, aber human im Warenhaus der Meinungen angepriesen und gekauft.

Rückblende: Als Hohlmeier, deren Stamm, in Sachen Korruption ja nicht gerade unterentwickelt ist, während der Diskussionsrunde an der Universität die Anti-Korruptions-Bestrebungen der EU in Bezug auf Handelsbeziehungen zu „Afrika“ in den höchsten Tönen lobte, lachten im Audimax genau zwei Menschen. Hohlmeier echauffierte sich in Richtung der Lachenden: „Warum lachen Sie denn da?“ In den vervielfältigten Gesichtern fast aller Anderen, wie nennt man das heute, ach ja, fand die Frage Hohlmeiers Resonanz.

Der Raum – wortwörtlich und symbolisch verstanden –, in dem ein Gespräch geführt werden kann, das nicht in den Wahnsinn führt, wird kleiner.

(Führe ich Selbstgespräche? Ist das hohl und vorhersehbar? Quasigewissheit: Spätestens morgen korrigiere ich wieder rein in den Text, weil die Sätze, die ich getippt habe, verbrauchte Sätze sind; oder aus Kleingeisterei.)

Zum Thema ein richtiger Satz: „Demokratie ist, im Gegensatz zu einem weitverbreiteten Mißverständnis, keine Gesinnungsgemeinschaft unter Gleichen, sondern ein System von Verkehrsregeln, das vor allem die Entfaltung von Verschiedenheit und Dissens ermöglicht.“ (Eisenberg, Gewalt die aus der Kälte kommt, S. 151)

Abgelegt unter: — 05.03.2020